"Wir haben Typen und Vorbilder hervorgebracht"
  13.08.2021 •     BLV


Badens Leichtathletik-Chef Philipp Krämer blickt auf Tokio zurück und auf München 2022 voraus.

Philipp Krämer feierte am Dienstag seinen 75. Geburtstag. Auch die RNZ gehörte zu den Gratulanten und nahm die Gelegenheit wahr, mit dem Präsidenten des Badischen Leichtathletik-Verbandes (BLV) aus Schönau über die Situation in seiner Sportart zu sprechen.

Philipp Krämer, seit 2010 stehen Sie dem BLV vor. Was hat sich seit damals verändert?

Am Anfang hatten wir auf der Geschäftsstelle 1,5 Personalstellen. Mir war klar, dass man damit den Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht werden kann. Mein erstes Bemühen war es, Einnahmemöglichkeiten zu finden und die Geschäftsstelle personell zu stärken. Zwischenzeitlich beschäftigen wir fünf Mitarbeiter und können mit diesen unsere vielen Ehrenamtlichen besser unterstützen.

Was waren in dieser Zeit die Höhe-, was die Tiefpunkte für Sie persönlich?

Tiefpunkte? Nein, da fällt mir auf die Schnelle keiner ein. Höhepunkte gab es viele, die kann sich aber kein Präsident und auch nicht die Geschäftsstelle an Revers heften. Da steht erst einmal die tolle Arbeit unserer Vereine und der Vereinstrainer dahinter. Wir hatten einen steten Anstieg an Erfolgen. Malaika Mihambo, Johannes Vetter, Andy Hofmann oder auch Christina Obergföll und Verena Sailer – um nur wenige Namen zu nennen – sind in dieser Zeit herangewachsen, wurden Europa-, Weltmeister oder sogar Olympiasieger. Das ist beachtlich für den BLV, der nur der siebtgrößte Regionalverband in Deutschland ist. Wir haben Typen und Vorbilder hervorgebracht.

Licht und Schatten gab es für Badens Leichtathleten in Tokio. Wie haben Sie die Olympischen Spiele erlebt?

Die große Enttäuschung war tatsächlich das frühe Scheitern von Speerwerfer Johannes Vetter, der mit der besten Weite angereist und in den letzten Jahren unglaublich stabil war, aber mit dem Belag in Tokio nicht zurechtkam. Mit einem normalen Belag hätte er wohl die zweite Goldmedaille für die deutsche Leichtathletik und den BLV geholt, da bin ich mir sicher. Johannes war sicher am allermeisten enttäuscht, aber so ein Wettkampf macht ihn auch stark. Am Sonntag findet das traditionelle Speerwurf-Event in Offenburg statt. Ich glaube, dass er da allen zeigt, was er wirklich draufhat. Für Malaika Mihambo habe ich mich sehr gefreut. Ich war mir ein bisschen unsicher, weil sie zuletzt Probleme mit dem Anlauf hatte. Aber sie hat es perfekt gemacht. Im nächsten Jahr findet die EM in München statt. Ich denke, da werden Malaika, Johannes und Andy Hofmann erneut Werbung für unseren Sport machen. Und wenn Malaika das Brett optimal trifft, dann geht es ganz weit. Ebenso bei Johannes, da er dort sicher einen stabileren Belag antreffen wird, den er für seine Technik braucht.

Andy Hofmann von der MTG Mannheim hat es nach einer Operation am Wurfarm nicht nach Tokio geschafft. Was hätten Sie ihm zugetraut?

Ich weiß, dass er im Training bereits wieder über 80 Meter geworfen hat. Ich denke, er hätte sogar eine Medaillenchance gehabt. Aber leider war die Zeit nach seiner OP für ihn zu knapp. Auch mit ihm rechne ich bei der EM im nächsten Jahr.

Einige Sportarten klagen über einen Rückgang der aktiven Mitglieder während der Corona-Zeit. Wie ist es bei den Leichtathleten?

Das ist ein Riesenproblem. Wir haben gut fünf Prozent Rückgang. Uns fehlen die Neueintritte der Drei-, Vier- und Fünfjährigen, weil in der Pandemie fast nichts stattfinden konnte. Leichtathletik ist ein Freiluftsport, da kann man 50 Leute parallel trainieren lassen, ohne dass sie sich zu nahe kommen. Die Politik hat bei Friseuren, Bäckern und anderen Einrichtungen differenziert – im Sport dagegen so gut wie nicht. Oft hieß es: Wir lassen lieber gar nichts zu, dann sind wir auf der sicheren Seite. Am schlimmsten war für mich, dass selbst manche Vereine mit eigener Anlage nach dieser Maxime gehandelt haben.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Leichtathleten? Wo steht der Sport in fünf, wo in zehn Jahren?

Die Leichtathletik hat bewiesen, dass sie attraktiv ist. In Tokio war sie – trotz schwieriger Übertragungszeiten in der Nacht – die beliebteste Sportart. Sie ist die olympische Kernsportart Nummer eins. Ich hoffe, dass die Sponsoren künftig vielleicht auch breiter investieren, um u.a. auch die Leichtathletik wieder stärker zu fördern. Wer die Grundausbildung in der Leichtathletik gemacht hat, ist für viele Sportarten zu gebrauchen. Darauf kann man aufbauen. Ich denke, dass die EM 2022 in München dazu beitragen wird, die Attraktivität noch zu steigern.