Staffel-Bronze für Anne Möllinger und Verena Sailer

  01.09.2009    BLV
Berlin (15.-23.08.) – Die Weltmeisterschaften in Berlin sind vorüber. Die Hoffnungen auf ein Sommermärchen gingen für uns Leichtathleten in Erfüllung. In Erinnerung bleiben drei Weltrekorde, die glanzvollen Auftritte von Usain Bolt, ein enthusiastisches Publikum und die zahlreichen bunten Bilder im und außerhalb des Stadions. Wir alle haben eine gelungene WM gesehen, egal ob im Stadion oder daheim an den Bildschirmen. Die Meisterschaften erfuhren von allen Seiten viel Lob und die deutsche Leichtathletik machte mit neun Medaillen wieder einen großen Sprung nach vorn.

Zwei Titel, sieben weitere Medaillen, 104 Punkte und Platz fünf in der Nationenwertung nach Punkten als dort stärkste europäische Nation. Die deutsche Mannschaft hat bei der Heim-WM in Berlin in den neun Tagen so abgeräumt, wie schon eine Weile nicht mehr.

DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop zog dann auch eine positive Bilanz: „Wir haben mit der WM in Berlin ein klares strategisches Ziel verbunden. Wir wollten die Leichtathletik in Deutschland beleben. Das Ziel ist gelungen. Die WM war eine Initialzündung für unsere Sportart in Deutschland. Wir haben faszinierende Wettkämpfe gesehen. Unsere Mannschaft hat sich gut behauptet und mit vielen Medaillen die Bevölkerung mitgerissen. Die Einschaltquoten im Fernsehen waren hervorragend.“

Von einer „exzellenten Weltmeisterschaft“ sprach IAAF-Präsident Lamine Diack in seiner Bilanz der WM. „Berlin hat in allen Punkten meine Erwartungen erfüllt“, sagte das Weltverbandes-Oberhaupt aus dem Senegal bei der Abschluss-Pressekonferenz und bedankte sich ausdrücklich bei Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit. „Ich freue mich, dass er durchgehalten hat. Obwohl Berlin 2002 durchfiel, hat sich die Stadt noch einmal beworben. Dadurch haben wir eine sehr, sehr schöne WM erlebt“, sagte Lamine Diack. Gerade zu euphorisch ergänzte er: „Berlin, es war wunderschön. Danke!“

Mit letztlich 1984 teilnehmenden Athleten aus 201 Ländern wurde es sogar eine Rekord-WM. Die Bestmarken standen zuvor bei 1882 Sportlern (1997 in Athen) und ebenfalls 201 Nationen (1999 in Sevilla). Aus Sicht von Lamine Diack herrschte überall in Berlin eine „wundervolle Atmosphäre“, auch im Kulturstadion am Brandenburger Tor. Mit knapp 400.000 verkauften Tickets könne man zufrieden sein.

Freude und Enttäuschung bei badischen Athleten

Für die vier teilgenommenen badischen Athleten lagen Freude und Enttäuschung dicht beieinander: Überstrahlt wurde alles von der Bronzemedaille der Staffelsprinterinnen Anne Möllinger und Verena Sailer. Aber auch das Erreichen des Halbfinales über 100m durch Verena Sailer war ein Erfolg. Enttäuscht zeigte sich Christina Obergföll nach ihrem fünften Platz im Speerwurf und auch Hürdensprinter Matthias Bühler war mit seinem Ausscheiden nach den Vorläufen nicht zufrieden.

Doch noch Medaillenglanz für Baden

Am vorletzten Wettkampftag gab es für die badischen Athleten doch noch einen versöhnlichen Abschluss. Die deutschen Staffel-Sprinterinnen nutzten am Samstagabend in Berlin über 4x100m die Chance, die sich ihnen nach dem Vorlauf-Aus der US-Amerikanerinnen geboten hatte. Nur knapp zwei Stunden nach ihrem Vorlauf fegte das Quartett erneut über die Bahn und gewann in 42,87 sec Bronze. Gold gewann Jamaika (42,06 sec) vor den Bahamas (42,29).

Marion Wagner (Mainz), in den letzten Jahren immer an Position vier laufend, schickte das deutsche Quartett mit dem besten Start aller Sprinterinnen auf die Reise. „Das war schon ungewohnt, als Erste zu laufen“, sagte sie. „Aber es hat sich als die richtige Entscheidung erwiesen.“ Nach ihr übernahm die Mannheimerin Anne Möllinger das Staffelholz und konnte sich danach „ an nichts erinnern. Aber ich nehme an es war gut“, sagte sie lachend. Cathleen Tschirch (Leverkusen) übergab den Stab an Verena Sailer (MTG Mannheim). „Als ich das Staffelholz hatte war ich sehr erleichtert. Ich hab nur gesehen ich bin Dritte und hab mir gesagt ‚renn, renn, renn‘ bis ich plötzlich im Ziel lag.“ Kurz nach dem Zielstrich war die 23-Jährige gestolpert und gestürzt. „Aber eine Medaille ist der Wahnsinn, da lege ich mich gerne für die Mädels hin.“ Der Sturz hatte ihr blutende Wunden am Arm, oberhalb der Hüfte und am Oberschenkel eingebracht. "Das schmerzt ziemlich", sagte die Blondine und erklärte ihren spektakulären Fall: "Ich habe im Ziel die Arme hochgerissen, da konnte ich mich nicht mehr halten, und schon bin ich gestürzt."

Keine zwei Stunden zuvor hatte das Quartett den Vorlauf bestritten. „Das war super, so kurz hintereinander zu laufen“, sagte Cathleen Tschirch. „Man muss sich nur einmal aufwärmen, kann die Spannung halten.“ Zwischen den Läufen hatten sich die vier Sprinterinnen nur kurz besprochen und entschieden, alles so zu lassen, wie es war. Nach einer kurzen Behandlung bei den Physiotherapeuten ging es schon wieder in das Stadion. Selbst nachdem die US-Amerikanerinnen im Vorlauf wegen eines Wechselfehlers ausgeschieden waren, hatte das deutsche Quartett nicht an eine Medaillenchance gedacht. „Sicher hat uns unsere Vorlaufzeit ein bisschen Sicherheit gegeben. Aber wir haben nie über Bronze geredet." Ein Schlüssel zum Erfolg waren sicherlich die guten Wechsel der deutschen Sprinterinnen gewesen.

Christina Obergföll auf Platz fünf

Der Speerwurf der Frauen wurde am Dienstagabend durch Steffi Nerius zum ersten Gold-Coup der deutschen Mannschaft. Verliererin war Christina Obergföll, die vor einem Jahr in Peking (China) die deutsche Mannschaft mit Bronze vor der totalen Medaillenpleite gerettet hatte. Erst im dritten Versuch kämpfte sich die zweimalige WM-Zweite mit 64,34 m in den Endkampf der acht Besten. Doch dann hatte sie nichts mehr zu bieten. Christina Obergföll, die am Samstag drauf 28 Jahre alt wurde, gelang es nicht, Kopf und Körper in Einklang zu bringen. Zwar schaffte sie mit einem Kraftakt im dritten Durchgang die 64,34 m, doch die Anspannung wollte nicht aus ihrem Gesicht weichen. Nach einer Zerrung in der Zwischenrippen-Muskulatur lief es schon seit Juli nicht rund und die Krise setzte sich bei der WM fort, obwohl die Offenburgerin als Jahres-Weltbeste nach Berlin gefahren war.

Mit Tränen in den Augen verlies die Olympia-Dritte das Stadion. „Ich habe während des Wettkampfs gemerkt, dass alles einfach nicht so passt“, sagte sie. Jeder Wurf sei anders gewesen, von einstudierter Routine keine Spur. „Ich habe mir zwar immer eingeredet, dass es passt, aber das hat es nicht.“ So lange habe sie auf diesen Wettkampf hingearbeitet und hingefiebert, „klar ist man dann enttäuscht. Vor allem wenn mit 67,30 m gewonnen wird, die man selbst schon oft genug geworfen hat.“ Auch wenn es nach Problemen in den vergangenen Wettkämpfen im Training zuletzt wieder deutlich besser gelaufen sei, „war die Unsicherheit trotzdem da. Ich habe zwar an mich geglaubt, aber die Selbstsicherheit hat gefehlt“, sagte sie.

Den Weg ins Speerwurf-Finale hatte Christina mit Mühe geschafft. Nachdem es im Training zuletzt wieder richtig gut bei Christina gelaufen war, „war heute das Einwerfen schon wieder nicht so toll, so dass ich etwas unsicher ins Stadion gegangen bin“, sagte sie. Beim ersten und dritten Versuch habe sie die linke Seite zu früh aufgerissen, beim zweiten sei sie zu kontrolliert gewesen. „Dafür waren knapp 61 Meter dann gar nicht so schlecht“, sagte sie. „Wenn ich dann mal einen gut treffe, geht der gleich fünf Meter weiter.“

Matthias Bühler als Vorlauf-Sechster draußen

‚Lauf ins Halbfinale’, hatten seine Fans auf ein Transparent geschrieben. Taten konnte Matthias Bühler dieser Aufforderung nicht folgen lassen. Der deutsche Meister fand nicht wirklich in das Rennen und kam in 13,75 sec über Platz sechs nicht hinaus. Das reichte für den Offenburger nicht, um als einer der Zeitschnellsten weiterzukommen, insgesamt war es in der Summe aller Rennen nur Rang 33.

„Ich bin schlecht in den Lauf reingekommen, hinten raus wurde es ein wenig besser. Das ist schade, dass es nicht gereicht hat. Ich bin unglaublich enttäuscht“, sagte der 22-Jährige, der keine Ausreden suchen wollte. „Es war vielleicht ein bisschen früh. Ich bin aber einfach technisch schlecht gelaufen.“

Beste Europäerin Verena Sailer

Das 100m-Finale bei den Weltmeisterschaften in Berlin war für Verena Sailer noch eine Nummer zu groß. Aber wie in den beiden vorigen Runden präsentierte sich die Mannheimerin am Montagabend auch im Halbfinale gut und wurde in 11,24 sec Elfte. „Die Zeit, die ich für das Finale gebraucht hätte, war heute einfach nicht drin“, sagte Verena Sailer. Mit 11,16 sec lief Aleen Bailey (Jamaika) als Letzte in den Endlauf. Verena Sailer zog trotzdem ein rundum zufriedenes Fazit. „Der Lauf heute war in Ordnung. Ich bin dreimal unter 11,30 sec gelaufen und bin im Halbfinale nicht Letzte geworden“ sagte sie.

„Verena lauf ins Finale“ stand auf einem Plakat, das Mannheimer Fans bei der WM in Berlin mit ins Olympiastadion gebracht haben. In 11,26 sec sprintete sie am Sonntagabend aus dem Zwischenlauf in das Halbfinale. „Der Lauf war noch nicht optimal. Start und Beschleunigung waren gut, aber hinten raus geht noch was“, analysierte Verena Sailer. Dabei hatte sie sich auch gegen starke Konkurrenz durchzusetzen, unter anderen lief sie gegen Titelverteidigerin Veronica Campbell-Brown (10,99 sec) und Debbie Ferguson-McKenzie von den Bahamas (11,08 ). „Als ich das im Callroom gesehen habe, habe ich nur gedacht, ‚Oh jetzt musst Du aber Gas geben‘.“

erstellt von Ralf Wohlmannstetter