Matthias Bühler sensationell deutscher Hürdenmeister<br>Christine Obergföll gewinnt Speerwerfen / Timo Benitz Vizemeister über 800m / Bronze für Anne Möllinger und Lisa Hahner
  01.08.2011 •     BLV


Kassel (23./24.07.) – Sommerliche Temperaturen gab es im Auestadion von Kassel bei den 111. Deutschen Meisterschaften zwar keine, aber die badischen Athleten präsentierten sich in den zwei Tagen trotzdem auf der Sonnenseite. Zwei Goldmedaillen für die beiden Offenburger Christina Obergföll und Matthias Bühler, die Vizemeisterschaft für den Stockacher Timo Benitz und Bronzemedaillen für Anne Möllinger und Lisa Hahner war die erfolgreiche Ausbeute. Und das, obwohl mit Verena Sailer und Carolin Nytra zwei heiße Sieganwärterinnen verletzungsbedingt nicht dabei waren.

Trotz widriger Bedingungen sorgten insgesamt 30.000 Zuschauer für stimmungsvolle Titelkämpfe, bei denen es neben Gold, Silber und Bronze auch um die Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Daegu (Südkorea; 27. August bis 5 September) ging. "Wir werden Athleten mit Zukunft nicht zu Hause lassen, nur weil das schlechte Wetter in Kassel mehr gute Leistungen verhinderte, sondern ihnen bei der Nominierung Chancen einräumen", erklärte DLV-Vizepräsident Guenther Lohre vor Bekanntgabe des gut 60-köpfigen vorläufigen WM-Teams. Die Mannschaft soll bis zum Meldeschluss des Weltverbandes IAAF am 14. August aufgestockt werden.

Für das Highlight am ersten Tag aus badischer Sicht sorgte natürlich Matthias Bühler, der sich zum dritten Mal in Folge den Titel sicherte und in 13,66 sec auch eine neue Saisonbestleistung aufstellte. Nach den Vorläufen sah es noch gar nicht nach einer erfolgreichen Titelverteidigung durch den Offenburger aus. Da hatte er nämlich in 13,94 sec nur die sechstschnellste Zeit angeboten. Und auch der bisherige Saisonverlauf sprach nicht gerade für Matthias. Nach langer Verletzungszeit kam der Schützling von Wilhelm Seigel nur langsam wieder in Form. So stand er dann im Finale auch wenig aussichtsreich auf Bahn acht.

Doch die sollte ihm an diesem Tag Glück bringen. Gebannt starrten die Hürdensprinter nach dem Rennen auf die Ergebnisleinwand, denn der Zieleinlauf war denkbar eng. Als erster eingeblendet wurde der Offenburger, der den Hals am weitesten nach vorne streckte. Seine Zeit bei 1 m/sec Gegenwind: 13,66 sec. „Ich bin wahnsinnig überrascht“, sagte der strahlende Sieger. „Denn meine Saison lief sehr, sehr schlecht. Ich konnte kaum eine Woche durchtrainieren.“ Sein Dank galt seinem Trainer, der ihn auf den Punkt in Form gebracht hatte, sowie Ärzten und Physiotherapeuten, mit deren Hilfe er seine Rückenprobleme rechtzeitig in den Griff bekam. „Ich habe immer an mich geglaubt, auch wenn es schlecht läuft. Aber gerade die letzten Wochen wurden besser, von der Verletzung her. Ich habe gemerkt, dass ich immer mehr ins Laufen komme. Bei den Hürden kann aber immer alles passieren. Dass ich mich wieder durchgesetzt habe, ist sensationell. Ich habe nicht viel gesehen, weil ich auf Bahn acht war. Ich konnte mein Rennen durchziehen. Im Ziel habe ich dann gedacht: Hat es gereicht? Es war so.“

Zweiter wurde der Leipziger Erik Balnuweit (13,68 sec). Marlon Odom (LAZ Zweibrücken), als zweitschnellster des Jahres nach Kassel gereist, belegte in 13,72 Rang drei.

Damit war dann der Bann zum badischen Medaillensammeln gebrochen. Gleich im Anschluss an das Hürdenfinale standen die 5000m-Läuferinnen an der Startlinie. An der Titelverteidigung von Sabrina Mockenhaupt hatte wohl keiner im Vorfeld irgendwelche Zweifel. Und auch die einheimische Simret Restle galt als nächste Konkurrentin und Anwärterin auf die Silbermedaille. Doch dahinter war alles möglich. Und so gestaltete sich auch das Rennen. Mockenhaupt und Restle vom Start weg voraus – und die Verfolgerinnen mit Abstand hinterher. Den Kampf um Bronze entschied in der letzten Runde Lisa Hahner (Run2Sky.com) in 16:30,40 min für sich.

Als letzte Disziplin des Tages stand der 100m-Endlauf der Frauen auf dem Programm. Anne Möllinger (MTG Mannheim) hatte sich mit der zweitschnellsten Vorlaufzeit von 11,62 sec die Bahn vier gesichert. Neben ihr die Jahresschnellste Yasmin Kwadwo. Durch einen Fehlstart musste die dann allerdings gleich die Bahn verlassen. Der zweite Starversuch glückte, Anne kam gut aus den Blöcken. Im Foto-Finish holte sie sich in 11,63 sec die Bronzemedaille; nur eine Hundertstel hinter Leena Günther (Köln) und der siegreichen Cathleen Tschirch (Leverkusen; 11,52).

Und noch eine weitere Mannheimer Sprinterin hatte den Einzug ins Finale geschafft. Nach 11,95 sec im Vorlauf erreichte Deborah Hufschmidt im Endlauf in 12,09 sec Platz sieben.

Auch beim Speerwerfen der Männer kämpften zwei Badener plötzlich im Endkampf um Bronze. Die favorisierten De Zordo und Frank lagen vorne, dahinter hatte sich der Magdeburger Björn Lange mit 75,81 m eingereiht. Jens Merseburg (MTG Mannheim) schaffte im dritten Versuch 74,07 m, konnte sich im Endkampf aber nicht mehr steigern und belegte Rang vier. Sein Vereinskamerad David Madeo hatte es mit 71,87 m ebenfalls in Finale geschafft und steigerte sich im vierten Versuch auf 72,20 m, was Platz sechs bedeutete.

Die Sprintstaffeln wurden erstmals schon am Samstag als Zeitendläufe ausgetragen. Bei den Frauen erreichte über 4x100m das Quartett vom USC Freiburg (Werkhausen, Gyßler, Steidle, Fleig) in 46,77 sec Platz acht.
Der Sonntagmorgen startete mit den Gehern. Über 10000m der Männer belegte Carl Dohmann (SCL-Heel Baden-Baden) wie im Vorjahr den vierten Platz. Mit 41:35,47 min war er aber um 15 Sekunden schneller unterwegs als jemals zuvor. Für den jungen Nachwuchsgeher ein optimaler Erfolg, da unter normalen Umständen die vor ihm Platzierten nicht zu bezwingen waren.

Anschließend tat sich aus badischer Sicht recht wenig im Auestadion. Bis nach 17 Uhr das Finale über 400m Hürden der Männer anstand. Quentin Seigel (LG Offenburg) Hatte sich am Vortag mit 51,86 sec als Drittschnellster für diesen Endlauf qualifiziert. Und er kämpfte um die Bronzemedaille. Ganz knapp musste er sich am Ende in 51,44 sec zu 51,29 als Vierter im Kampf um Edelmetall geschlagen geben.

Während dessen bereitete sich seine Vereinskameradin Christine Obergföll auf ihren Speerwurfwettbewerb vor. Katharina Molitor (Leverkusen) glänzte gleich im ersten Durchgang mit 64,67 m. Christina zeigte danach mit 64,32 m auch gleich einen guten Versuch. Und dann ließ sie es richtig krachen: Im zweiten Durchgang schleuderte sie ihr Arbeitsgerät auf großartige 68,86 m – Meisterschaftsrekord. Da konnte keine der Konkurrentinnen mehr dagegen halten. 64,81, 64,28 und 65,30 m warf die Offenburgerin anschließend – auch in der Serie beachtlich. Mit neuer Saisonbestleistung gewann der Schützling von Werner Daniels nach 2007 und 2008 sowie zwei Jahren als Vizemeisterin endlich wieder Gold.

„Bei den Bedingungen hätte es nicht besser laufen können. Knapp 69 ist schon ein Wort. Ich bin zufrieden und auf einem guten Weg zur WM“, freute sich Christina nach dem Wettkampf. „Ich war zwei Jahre keine deutsche Meisterin, deshalb bin ich jetzt glücklich. Mit so einer guten Weite und Meisterschaftsrekord ist das natürlich doppelt schön. Ich möchte bei der WM eine Medaille gewinnen. Wie weit man dafür werfen muss, ist mir vollkommen egal. Natürlich wäre es schön, wenn ich mal wieder Jahresbestleistung beim Höhepunkt werfen könnte. Im Moment sieht es gut aus, ich bin gesund und habe jetzt bei den Bedingungen fast 69 m geworfen, da kann ich gut weiter schauen.“

Während des Speerwurfwettkampfs stand der 800m-Lauf der Männer an. Und hier startete von Bahn eins der eigentlich als 1500m-Läufer bekannte Timo Benitz (TG Stockach). Als Vorlaufzweiter hinter dem favorisierten Robin Schembera (Leverkusen) hatte er sich in 1:49,14 min für das Finale qualifiziert. Der Favorit verletzte sich beim Einlaufen und musste beim Endlauf passen. Nach 500m wurde das Tempo schnell, der Erfurter Sebastian Keiner machte die Pace. Auf der Zielgerade ein Massenspurt – der Braunschweiger Sören Ludolph zog davon und außen stürmte Timo Benitz dem Ziel entgegen. Mit großartigem Kampf stürzte er sich ins Ziel und schaffte tatsächlich das Unglaubliche: In 1:50,69 min fing er Sebastian Keiner noch ab und holte sich mit einer Hundertstel Vorsprung die Vizemeisterschaft.

In den abschließenden 4x400m-Staffeln startete mit der LG Region Karlsruhe auch ein badisches Quartett. Im Wettbewerb der Frauen liefen Pia Gerstner, Cornelia Moll, Jessica Schmütz und Larissa Kaufmann in 3:51,30 min auf den fünften Platz.

Ralf Wohlmannstetter