Masters Europameisterschaft im Berglauf<br>Gold für Peter Lessing / Medaillenflut für die deutsche Nationalmannschaft / Viel Lob für den TV Unterharmersbach
  04.05.2006 •     BLV


Zell-Unterharmersbach (30.04.) - „Eine gelungene Premiere der Masters Europameisterschaft“ (Dieter Massin, Präsident des Europäischen Leichtathletik-Seniorenverbandes) „fantastische Organisation“ (Danny Hughes, Präsident des Berglauf-Weltverbandes) „das ist nicht mehr zu toppen“ (Franz-Josef Eckstein, Präsident des Badischen Leichtathletik-Verbandes), das sind nur drei Äußerungen, die nach der 1. Masters Europameisterschaft eigentlich alles aussagen. Das gut eingearbeitete Team des TV Unterharmersbach mit Alfred Siegesmund und Ludwig Borsig an der Spitze, hatte wieder einmal eine organisatorische Glanzleistung vollbracht.

Nach der deutschen Meisterschaft 2002, der Senioren Weltmeisterschaft 2003, der deutschen Meisterschaft mit Grand Prix-Finale im Vorjahr, hatte auch keiner der Funktionäre und Sportler etwas anderes erwartet. Zell a. H. hat in der nationalen und internationalen Berglaufszene sich innerhalb weniger Jahre einen so guten Ruf erarbeitet, dass allein der große Erwartungsdruck für die Organisatoren eigentlich nicht auszuhalten ist. Viele sprechen bereits vom „Mekka“ des Berglaufs, was aber nicht alle Berglaufpioniere außerhalb Badens gerne hören.

Mehr als 500 Läuferinnen und Läufer aus 20 Nationen stellten sich dem Starter. Rund dreiviertel davon kamen aus Deutschland und die sahnten dann auch ab, gewannen elf von 15 Einzel-Goldmedaillen und auch alle acht Mannschaftstitel blieben in Deutschland.

Auch die sportliche Bilanz aus badischer Sicht kann sich sehen lassen. Für Baden gewann erwartungsgemäß Peter Lessing (LG Ortenau) in der Klasse M65 Gold. Ulrike Hoeltz (LSG Karlsruhe/ W45) und Roswitha Schäffler (LCM Rheinfelden/ W55) gewannen Silber und Charly Doll (SV Kirchzarten) erkämpfte sich in der M50 die Bronzemedaille. Darüber hinaus gewannen Roswitha Schäffler, Peter Lessing, Ulrike Hoeltz, Ursula Hermann und Charly Doll Goldmedaillen in der Mannschaftswertung mit der deutschen Nationalmannschaft.

Die zweitägige Veranstaltung hatte am Samstagabend mit der Eröffnungsfeier in Zell begonnen. Nach den üblichen Begrüßungsreden kam es zur traditionellen Pastaparty. Am Sonntag wurde nach der Flaggenparade der sportliche Reigen mit dem offenen Lauf auf der 10 km langen Brandenkopfstrecke, bei der 700m Höhenunterschied gemeistert werden müssen, eröffnet. Der offene Lauf endete gleich mit einer Überraschung. Nationalmannschaftsläufer Timo Zeiler (TSV Trochtelfingen) ging das Rennen schnell an und lag schon bald in Führung. Bis auf 50m war er Thomas Dold (SV Steinach), seinem härtesten Konkurrenten davon gelaufen. Doch Dold kämpfte sich immer näher ran und suchte durch einen energischen Endspurt 200m vor dem Ziel die Entscheidung und gewann in 42:03 min vor Timo Zeiler (42:14) und Ulrich Benz (LG Brandenkopf/ 44:07). Bei den Frauen siegte Alexandra Bott (SSC Hanau-Rodenbach) in 51:58 min vor Marilyne Haas (TV Biberach) und Petra Berger (LG Ortenau Nord).
Für eine faustdicke Überraschung sorgte Marie Heilig-Duventäster (LG Welfen), die die zweifache Berglauf-Europameistern Izabella Zatorska (Polen) besiegte. Mit 49:29 min lief sie die Tagesbestzeit und gewann damit die Klasse W40 überlegen vor Zatorska. Natürlich ist Marie Heilig-Duventäster keine Unbekannte, immerhin hatte sie schon 2003 in Unterharmersbach die Senioren-Weltmeisterschaft gewonnen und in dieser Saison bereits drei Senioren WM-Titel gesammelt. Aber auch die Siegerin war überrascht. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich gegen Izabella gewinnen kann. Man hat mich im Vorfeld schon gewarnt, dass ich erst gar nicht versuchen solle, hinter ihr herzulaufen. Als ich bei Kilometer drei an ihr vorbeiging, habe ich zunächst gedacht, dass sie nochmals kontern wird. Aber als ich mit bekam, dass mein Vorsprung immer größer wurde und mir die Strecke als Mittelstrecklerin entgegenkam, konnte ich mir doch recht frühzeitig Hoffnung auf den Sieg machen.“ Die Geschlagene konnte ihre Enttäuschung nicht verhehlen: „Ich hatte recht schnell Krämpfe und musste sogar stehen bleiben“, sagte sie später. Mit Barbara Stich (LG Oberland) und Britta Müller (LG Badenova Nord) platzierten sich zwei weitere DLV-Läuferinnen hinter Izabella Zatorska auf den Plätzen drei und vier ganz weit vorne.
Seiner Favoritenrolle gerecht wurde der Österreicher Helmut Schmuck. Der mehrfache Weltmeister lieferte sich bis Kilometer 7,5 ein spannendes Duell mit Paul Sichermann (LG Kreis Ansbach). „Das Rennen war von Anfang an schnell. Wir haben uns gegenseitig hochgepuscht und uns in der Führung abgewechselt“, so Schmuck, der im letzten Drittel an einer Steilpassage die Entscheidung durch eine Temposteigerung suchte. Nach 42:57 min war er beim Ziel auf dem 930m hohen Brandenkopf. Damit lief Schmuck die schnellste Zeit aller Senioren.

Ein Wiedersehen mit Berglauflaufstars früherer Jahre gab es in der Klasse M50. Mit Charly Doll (SV Kirchzarten), Wolfgang Münzel (TV Geiselhöring) und Meinrad Beha (FC Unterkirnach) standen die drei Erstplatzierten der deutschen Berglaufmeisterschaften von 1988 in Bühlertal an der Startlinie. Damals gewann Charly Doll seinen ersten Titel vor Münzel und Beha. Titelhoffnungen bei der Masters-EM durfte sich indes nur Charly Doll machen. Er gewann an gleicher Stelle vor drei Jahren die Senioren-WM und fühlte sich in den vergangenen Tagen topfit. „Ich konnte zwar aufgrund des vielen Schnees im Schwarzwald kaum laufen, aber dafür habe ich viel auf den Langlaufskiern trainiert, das gibt ja auch Kraft.“ Aber es sollte anders kommen. Charly Doll setzte sich recht schnell an die Spitze des Feldes und versuchte auf den Flachpassagen seinen Vorsprung zu vergrößern. Doch die beiden Engländer David Neill und Nigel Gates ließen sich nicht abhängen. Auf den letzten eineinhalb Kilometern musste Charly Doll die beiden Engländer an sich vorbei lassen. „Mit der Platzierung bin ich gar nicht so unzufrieden, aber die Zeit war sehr schlecht. Ich bin drei Minuten langsamer gelaufen, als bei meinem WM-Sieg vor drei Jahren. Ausgerechnet heute fühlte ich mich nicht gut, ich hatte starke Kopfschmerzen, aber das soll keine Ausrede sein“, meinte Charly Doll in einem Gespräch bei der Siegerehrung.

Einen deutschen Doppelsieg gab es auch in der M45. Uwe Hartmann (Saucony Saar) gewann in 44:14 min vor Helmut Strobl (SVO Germaringen), wobei Hartmann, als Straßenläufer das Streckenprofil entgegenkam. „Man muss auf der Strecke nicht der geborene Bergläufer sein, um gewinnen zu können. Wenn man gut drauf ist, kann man solche Strecken auch als Straßenläufer gut laufen“, sagte Hartmann. In der W45 gab es durch die Französin Chantal Baillon einer der wenigen Gästesiege. Ulrike Hoeltz (LSG Karlsruhe) wurde vor Claudia Gertsch (TS Schramberg) Zweite. Bei den jüngsten Seniorinnen der Klasse W35 gewann Sylke Schmitz (TSV Kiebingen). Die Sportlehrein und Physiotherapeutin aus Rottenburg am Neckar, die im Vorjahr mit dem Überraschungssieg beim Zermatt-Marathon für Schlagzeilen sorgte, gewann mit der Zeit von 52:04 min vor Tanja Schmidt (Saucony Saar) und der Engländerin Julie Wilson. Einen niederländischen Doppelsieg feierten die Zwillingsbrüder Maykel und Björn Geerdink.
Bei den älteren Senioren ragte einmal mehr Peter Lessing (LG Ortenau Nord) heraus, der die M65 in ausgezeichneten 51:00 min mit einem Vorsprung von mehr als sechs Minuten gewann.

Mit einer stimmungsvollen Siegerehrung und einem attraktivem Rahmenprogramm endete die 1. Master Europameisterschaft der Senioren. Nochmals überschlugen sich die Redner mit Lob für die Veranstalter. Wer geglaubt hat, dass nun endlich in Unterharmersbach Ruhe einkehrt, und die Top-Veranstaltungen nun mal langsam ein Ende haben, der muss sich sicherlich eines Besseren belehren lassen. So klang bei BLV-Präsident Franz-Josef Eckstein schon die Hoffnung auf weitere Großereignisse in Zell-Unterharmersbach durch: „Wir würden uns wünschen, dass wir in Zukunft beim TV Unterharmersbach wieder eine solche Meisterschaft ausrichten können.

Es war eine rundum gelungene Veranstaltung. Der TV Unterharmersbach kann stolz sein, wie er diese Veranstaltung durchgeführt hat. Die Ergebnisse waren für diese erste Masters Europameisterschaft im Berglauf hervorragend. Und zwar nicht nur die Organisation im sportlichen Bereich, sondern was auch dazu gehört, die Siegerehrung, im gesellschaftlichen Bereich. Das war alles absolut Spitze. Das ist im Prinzip nicht mehr zu toppen“ und Dieter Massin ergänzte: „Dass ich gleich bei einer Premierenveranstaltung so etwas vorgefunden habe, macht mich mehr als glücklich. Auch über die Teilnahme bin ich sehr erfreut. Ich bin sicher, dass wir damit für die Zukunft ein weiteres Standbein für den Seniorensport gefunden haben.“

Winfried Stinn



Die Goldmedaillengewinner im Überblick

W65 - Barbara Wolf (TG Viktoria Augsburg)
W60 - Gerlinde Schmittner (TV Ochsenfurt)
W55 - Liane Muschler (SC DHfK Leipzig)
W50 - Anne Fischer (ATS Cuxhaven)
W45 - Chantal Baillon, Frankreich
W40 - Marie Heilig-Duventäster (LG Welfen)
W35 - Sylke Schmitz (TSV Kiebingen)

M70 - Werner Schanné (LG Wetzlar)
M65 - Peter Lessing (LG Ortenau Nord)
M60 - Wolfgang Huber (LG Passau)
M55 - Rudolf Pletzer (TSV Frickenhausen)
M50 - David Neill, England
M45 - Uwe Hartmann (Saucony Saar)
M40 - Helmut Schmuck, Österreich
M35 - Maykel Geerdink, Niederlande

Alle Ergebnisse unter www.brandenkopfberglauf.de