Hochklassiges Niveau kaum noch zu übertreffen / Bosler und Benitz lösen WM-Ticket
  07.07.2010 •     BLV


Mannheim (03./04.07.) - Die Juniorengala in Mannheim ist längst ein Synonym für Spitzensport und Topleistungen im Nachwuchsbereich der Leichtathletik. Hier gilt es seit eh und je für die besten deutschen jungen Athleten sich in einem international besetzten Feld dem DLV auf den Punkt in Topform zu repräsentieren, um die für große Meisterschaften geforderten Normen zu erfüllen.

Im Fadenkreuz hatte man in diesem Jahr die Nominierung für die U20-Weltmeisterschaften in Moncton/Kanada vom 19. bis 25.07. Einer Hand voll badischer Athleten bot sich in Mannheim die Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen und in den Flieger über den großen Teich noch mit einzusteigen.

Am ersten Tag der Gala rockten die Kurzsprinter das Stadion im Pfeifferswörth. Der Wetterdienst zeigte sich mit seiner Vorhersage von Temperaturen um die 37 Grad als sehr zuverlässig, was den Athleten in Kombination mit Rückendwinden knapp unterhalb der erlaubten Grenzen optimale Bedingungen bescherte. Praktisch im Minutentakt fielen Normen und Meetingrekorde. Die Eröffnung dazu lieferte Jack Meredith auf den 110m Hürden der Junioren. Der Brite schraubte schon im Vorlauf den alten Rekord von 13,49 sec auf 13,46 sec herunter. Leider wurde er im späteren A-Endlauf Opfer der neuen Fehlstartregel und disqualifiziert. Seine Position nahm nun der Franzose Pascal Lagarde Martinot ein, der den neuen Rekord nochmals nach unten drückte, ja mit 13,37 sec geradezu pulverisierte.

Für die Juniorinnen übernahm Miriam Hehl (LAZ Salamander Kornwestheim, ehemals TV Wehr) die Spitzenreiterrolle. Die Norm von 13,80 war schon nach dem Vorlauf in 13,46 sec abgehakt. Im Endlauf drückte sie dann das Gaspedal buchstäblich bis auf das Bodenblech durch und behauptete sich in einem Fotofinish in 13,31 sec gegen Jenna Pletsch (SV schlau.com 05 Saarbrücken / 13,32). „Mit so einer Zeit habe ich auf keinen Fall gerechnet“, sagte Miriam Hehl. „In Moncton will ich jetzt gute, saubere Läufe zeigen. Wenn das das für das Finale reicht, wäre das super.“

Obwohl die Gala eigentlich eine Nachwuchsveranstaltung ist, stand ein Großteil der erbrachten Leistungen am Samstag etwas im Schatten der Männer über die 100m flach, wo Deutschlands Elite sich die Ehre gab und es auf die EM-Norm für Barcelona abgesehen hatte. Schon der Vorlauf war ein Highlight, als neun Athleten unter den geforderten 10,45 sec blieben. Allen voran Altstar Tobias Unger (LG Stadtwerke München), der die anderen Normjäger förmlich stehen ließ und mit einer Vorlaufzeit von 10,18 sec ganz dicht an seiner persönlichen Bestzeit von 10,16 kratzte. Für den Paukenschlag sorgte der ehemalige Schwabenpfeil jedoch im Endlauf, wo der mittlerweile 30-Jährige alles auspackte und diese in 10,14 sec knackte. Die phänomenalen 10,16 sec des Franzosen Jimmy Vicaut rückten dadurch etwas in den Hintergrund, der neben einem neuen Meetingrekord damit noch eine neue U20-Weltjahresbestleistung markierte. Am Rand bemerkt, den zwei Hundertstel Rückstand auf Tobias stehen zwölf Jahre Altersunterschied gegenüber.

Den Fahrtwind des Landesnachbarn nutzte Lokalmatador Patrick Domogala optimal aus. Irgendwelchen Druck um eine Nominierung für die U20-WM musste sich der Mannheimer keine machen, da er mit der Teilnahme bei den ersten olympischen Jugendspielen im August in Singapur andere Ziele hat, für die sein Ticket bereits ausgestellt ist. So konnte er entspannt ins Rennen gehen und den Fahrtwind der schnellen Konkurrenz optimal für eine neue persönliche Bestzeit von 10,63 sec nutzen. Am Sonntag trat der Mannheimer nochmals über die 200m und sicherte sich mit 21,64 sec den achten Platz.
Einen weiteren Meetingrekord stellte die Britin Jodie Williams auf, ebenfalls auf der 100m Sprintstrecke. Von alten 11,41 sec auf neue 11,26 sec wurde auch diese nun schon neun Jahre stehende Marke geradewegs pulverisiert. Bei den Frauen lieferten sich Anne Möllinger (MTG Mannheim) und Yasmin Kwadwo (TV Wattenscheid) ein packendes Duell im Finale. Beide durchquerten in exakt der gleichen Zeit von 11,33 sec die Lichtschranke und unterboten die DLV EM-Norm von 11,35. Tags darauf trat Anne über die 200m auf dem schnelle MONDO-Belag an, packte in 23,76 sec die Norm zwar nicht, lief aber auf Rang eins der Konkurrenz.

Auch Abseits der Zielgeraden beim Kugelstoßen war große Klasse geboten, wo Marcel Bosler (TV Iffezheim) in seinem Wettkampf federführend war und im Duell mit dem Franzosen Frederic Dagee stand. Mit einer Mimik voller Entschlossenheit stieß er die 6 kg schwere Kugel bereits im ersten Versuch auf 19,25 m. Er übertraf seine persönliche Bestleistung um mehr als 40 Zentimeter und sorgte erneut für eine klare Erfüllung der Norm von 18,50 m. Diese Weite sollte für ihn bis zum sechsten Versuch die Führung sein. Denn erst jetzt schaffte es der Franzose mit 19,30m nochmal zu kontern und den Sieg an sich zu reißen. „Ärgerlich, dass Frederic mich noch übertreffen konnte. Mit meinem Wettkampf bin ich aber sehr zufrieden, zumal ich wie in der vergangenen Woche meine Bestleistung steigern konnte“, sagte Marcel Bosler.

Ein sehr starkes Rennen lief Timo Benitz (TG Stockach) am Ende des ersten Tages über die 1500m. Nach erfolgtem Startschuss verschaffte sich zunächst Martin Sperlich (VfB LC Friedrichshafen) im Windschatten eines Tempomachers gute 20m Vorsprung, die er bis etwa 1000m konstant hielt. Ab da machte das Verfolgerfeld Druck, verkürzte den Abstand stetig und zog 200m vor dem Ziel in großer Fahrt vorbei. Marcel Fehr (LG Limes/Rems) und Timo lieferten sich von hier ab ein Kopf an Kopf Rennen um die Plätze eins und zwei, welches Marcel auf der Zielgerade in 3:46,67 min für sich entscheiden konnte. Timo lief dahinter in 3:47,01 min, was nach seinem starken Auftritt bei der Sparkassen-Gala in Regensburg (3:46,03) die Norm von 3:47,50 nochmals offiziell bestätigte. Sein Ticket nach  Moncton dürfte ihm somit sicher sein. „Die letzten 500 Meter bin ich in 71 Sekunden gelaufen. Da musste ich volles Risiko gehen. Denn ich wusste, dass Marcel vor mir sein wird. Also musste ich Martin schlagen“, sagte Timo Benitz.

Es war schon zu erwarten, dass Shanice Craft (MTG Mannheim) wieder einen Glanzpunkt setzte. Wie ihr Vereinskollege Patrick musste auch sie sich keine Gedanken mehr über weitere Normierungen machen, da auch ihr Ticket nach Singapur schon ausgestellt war. Mit der gewohnten Routine schleuderte sie ihre Scheibe im dritten Versuch auf die Siegesweite von 52,96 m. Knapp davor landete der Diskus der Französin Anais Marcadet (52,94), die im letzten Versuch nochmal auf zwei Zentimeter an Shanice herankam.
Ein super Erfolg stellte sich fast zum Ende der Veranstaltung dann noch für unsere 800m-Läuferinnen ein. Im ersten der beiden Läufe liefen die Geschwister Ester (2:09,13 min) und Felicitas (2:07,99 min) Müller (TS Ottersdorf) beide zu neuen Bestzeiten. Im zweiten überraschte Alicia Schmälzle (LG Ortenau Nord) dann mit ganz hohem Niveau und lief im Sog der Vizeeuropameisterin Corinna Harrer (LG Telis Finanz Regensburg / 2:04,61 min) zu hervorragenden 2:06,77 min und schrammte nur 27 Hundertstel an der Norm des DLV vorbei.

DLV Cheftrainer Dietmar Chounard zeigte sich abschließend sichtlich zufrieden mit dem Verlauf der Gala. „Wir haben zwei Hochleistungstage hinter uns mit keinen Leistungseinschränkungen trotz der hohen Temperaturen“. Insgesamt gab es 27 Einzelnormierungen bei den Junioren und 23 bei den Juniorinnen, außerdem werden alle vier Staffeln in Moncton besetzt werden. Am 14. Juli werden so etwas mehr als 60 Athleten und Athletinnen die Reise ab Frankfurt antreten. Rüdiger Harksen führte dieses positive Resümee fort. „Gerade durch die Sprintstrecken hatte die Gala in diesem Jahr ein ganz hohes Niveau. Eine Steigerung ist jetzt kaum noch möglich“. Seitens der Presse wurde etwas Kritik laut, dass die Juniorengala durch die Integration von Wettbewerben der Aktiven, wie in diesem Jahr die 100m und 200m, zunehmend „verwässert“ werden könnte. Dazu Harksen: „Die dabei erzielten Leistungen sind auch als Ansporn für die jungen Athleten zu sehen. Von den 100m des Vortags zeigten sich die Sportler selbst am Sonntag noch beflügelt“.