Die badischen Meisterschaften vor 60 Jahren
  04.08.2009 •     BLV


Unser Verbandsgebiet war nach dem zweiten Weltkrieg zweigeteilt. Das nördliche Baden gehörte zur Amerikanischen Besatzungszone, der südliche Landesteil ab Rastatt bis an das Rheinknie und an den Bodensee war von den Franzosen besetzt. Wir, in der französisch-besetzten Zone, benötigten mehrere Jahre nach Kriegsende immer noch einen Passierschein (laissez passez), um nach Nordbaden, nach Württemberg oder Bayern reisen zu dürfen. Es waren halt üble Nachkriegszeiten, die in der russischen Besatzungszone (spätere DDR) und in unserer Zone am schlimmsten zur Auswirkung kamen. Bei den Briten und bei den Amerikanern ließ es sich in den Nachkriegsjahren in jeder Beziehung besser leben. Amerikaner und Engländer waren angenehmere Besatzer und waren großzügiger den armen Deutschen gegenüber als die Russen und Franzosen. Dies ist keine Bewertung, es war wirklich so - und wenn Monsieur Sarkozy dies auch nicht wahrhaben möchte.

Im Jahr 1945, kurz nach Kriegsende, konnten wir in unserer Zone mit unseren Lebensmittelkarten täglich lächerliche 560 und in der Zeit vom 20. August bis 19. September gar nur 523 Kalorien an Lebensmitteln legal erhalten. Wie da unsere Sportler Leistungen vollbringen konnten, ist mir heute noch ein Rätsel. In den beiden anderen Westzonen gab es doppelt so viel für den Magen. 1947 wurde es besser und 1948, am 20. Juni, am Tage der Währungsreform, war plötzlich alles wieder zu haben, gegen gute deutsche Reichsmark natürlich. Lebensmittel-Geschäfte, Schuh- und Bekleidungs-Läden, alle hatten über Nacht wieder Auslagen in den Schaufenstern. Es war gespensterhaft! Aber auf den „Hamster“ gehen musste man trotzdem immer noch, wenn man etwas zum Tauschen hatte, an dem die damals zum Teil geizigen Bauern Freude fanden. Ich habe auf diesem Gebiet einiges erlebt, meist Betrübliches. Aber das gehört nicht mehr hierher.

Einen Witz bescherte uns Leichtathleten das Jahr 1947, als in Köln die Deutschen Meisterschaften stattfanden und offiziell keine Teilnehmer aus der französischen und aus der russisch besetzten Zone teilnehmen durften. Es nahmen aber doch Sportler aus unserer Zone teil, aus Trotz gegen die damaligen Machthaber in unserem Lande. Unter falschem Namen und für den ASV Köln gemeldet waren einige Südbadener unter den Teilnehmern. Auch Kurt Spitzmüller, dessen Geschichte „Verbotene Meisterschaftsteilnahme“ in „100 Jahre Leichtathletik in Baden“ auf den Seiten 157/158 nachzulesen ist. Ich war auf eigene Faust von Lörrach nach Köln gereist und traf mich mit Kurt Spitzmüller und seinen Nordrachern und mit Uly Wolters im gleichen Privatquartier. Kaffee und Zucker, damals Raritäten, von mir aus der schönen Schweiz importiert, öffnete uns alle Tore. Für den Kurhausbesitzer Kurt Spitzmüller gab es keinerlei Schwierigkeiten, mit Hilfe vom cleveren Berliner Uly, Anschluss an den ASV Köln zu finden. Kurt startete ganz einfach unter dem Namen Müller und das ging gut. Der alte Julius Döring, Chef des BLV-Nord, staunte nicht schlecht, als er uns im Müngersdorfer Stadion begegnete. „Clemi, wie kommst denn Du nach Köln? - Ich kannte den alten Haudegen schon aus früherer Zeit, als er in Karlsruhe Bannfachwart für Leichtathletik war und ich (als 18-Jähriger) das gleiche Amt im Bann 142 Lörrach ausübte. So jung und schon sog. Funktionär! Das waren noch Zeiten, an die ich aber trotz allem noch gerne zurückdenke.

Endlich! Im Jahr 1948 durften wieder Sportler aus der Französischen Besatzungszone - erstmals nach Kriegsende - wieder an Deutschen Meisterschaften teilnehmen. Wir Lörracher von Rot-Weiß waren großkotzig und fuhren mit einem Achtsitzer-Mercedes Typ 260 D-Pullmann nach Nürnberg. Der Fahrer, der Schmidte Karle aus Lörrach-Stetten, war ein Freund von mir und das Super-Taxi kostete uns so gut wie nichts. Unser Fahrzeug war damals eine Sensation und wir wurden nicht nur auf der Fahrt durch Süddeutschland überall bestaunt. Als wir vor dem Nürnberger Stadion erschienen, öffnete sich das Tor der Offiziellen des DLV wie selbstverständlich für uns arme Schlucker aus der Provinz. Wir genossen selbstredend diese Hochachtung mit geschwellter Brust. So einen Schlitten besaß niemand im weiten Rund!

Vor 60 Jahren ......

Nach dieser kurzen Rückerinnerung an die Anfänge unseres Sports nach dem Krieg möchte ich an die letzten getrennten LA-Meisterschaften im Ländle erinnern. Sie fanden am gleichen Wochenende, am 16./17. Juli 1949 statt, für Baden Nord in Karlsruhe (Ausrichter KTV) und für Baden Süd in Konstanz (Ausrichter VfL Konstanz).

Die Meister/innen von 1949:

 

Baden Süd


Baden Nord


Männer


Helmut Schweigert, SC Baden-Baden - 11,5 sec

100m

Boger, TV Pforzheim - 11,3 sec

Konrad Uetz, VfL Konstanz - 23,4 sec

200m

Boger, TV Pforzheim - 22,9 sec

Paul Bieser, ASV Nordrach - 52,6 sec

400m

Kern, Karlsruher TV 46 - 51,3 sec

Lehmann, Konstanz - 1:59,4 min

800m

Preschany, Karlsruher TV 46 - 1:57,6 min

Lehmann , Konstanz - 4:07,6 min

1500m

Fischer, TV Friedrichsfeld - 4:09,4 min

Seifried , Teningen - 16:04,0 min

5000m

Ochs, Karlsruher TV 46 - 16:19,4 min

Paul Gsell, Eintracht Singen 33:58,2 min

10000m

Nagel, Karlsruher TV 46 - 36:16,0 min

Werner Dietrich, Konstanz - 17,4 sec

110m Hü

Bienstock, SG Mannheim - 17,3 sec

Paul Bieser, Nordrach - 61,3 sec

400m Hü

Bürgermeister, TB Heidelberg - 60,1 sec

ASV Nordrach - 45,2 sec

4x100m

TB Heidelberg - 45,0 sec

Sportvereinigung Ottenau - 3:35,1 min

4x400m

TSG 78 Heidelberg - 3:32,7 min

Rot-Weiß Lörrach - 8:24,1 min

3x1000m

TSG 78 Heidelberg - 8:08,0 min

Erich Richter, RW Lörrach - 1,70 m

Hoch

Engelberger, Karlsruher TV 46 - 1,74 m

Helmut Seibert, RW Lörrach - 3,30

Stabhoch

Danos, TB Heidelberg - 3,50 m

Wolfgang Wünsche, Nordrach - 7,02 m

Weit

Beck, Karlsruher TV 46 - 6,66 m

Wolfgang Wünsche, Nordrach - 12,78 m

Drei

Müller, SC Pforzheim - 13,19 m

Willi Kiehnle, SV Kenzingen - 13,77 m

Kugel

Mersinger, TSG 78 Heidelberg - 13,42 m

Thomas Neuberth, RW Lörrach - 40,40 m

Diskus

Mersinger, TSG 78 Heidelberg - 42,67 m

Karl Berg, Eintracht Singen - 56,41 m

Speer

Büttner, SV Schwetzingen - 53,53 m

Sparn, Steinbach – 45,01 m

Hammer

Wolf, Karlsruher TV 46 - 54,31 m


Frauen


Rosa Josef, Radolfzell - 13,3 sec

100m

Knab, TB Heidelberg - 13,1 sec


200m

Klein, SG Mannheim - 27,4 sec

Carmen Schweizer, Singen - 13,2 sec

80m Hü

Federmann, SC Pforzheim - 12,9 sec

Eintracht Singen - 55,0 sec

4x100m

Karlsruher TV 46 - 54,4 sec

Toni Butz, Singen - 1,45 m

Hoch

Findeisen, Phönix Karlsruhe - 1,45 m

Schneider, Singen - 3,64 m

Weit

Klein, SG Mannheim - 5,05 m

Lauter, Fortuna Freiburg - 10,30 m

Kugel

Unbescheid, Phönix Karlsruhe - 11,63 m

Hackenjoos, Villingen - 35,51 m

Diskus

Hättich, Karlsruher TV 46 - 36,87 m

E. Knapps-Stückle, Bühl - 31,34 m

Speer

Pape, Phönix Karlsruhe - 33,16 m

 

Leider war es mir nicht möglich, alle Vornamen aus anderen Listen heraus zu finden. Auf den Ergebnislisten von damals sind leider – fast immer – nur Familiennamen angegeben.

Die Ergebnisse von Nordbaden hat Klaus Hannecke zusammengestellt.
Im Jahr 1950 fanden die ersten gemeinsamen  Badischen Leichtathletik-Meisterschaften statt, Ausrichter war die TSG Heidelberg.
Ende der Laissez passez beim Sport!