Carl Dohmann geht nach Rio
  09.02.2016 •     BLV


-- Kolumne im Badischen Tagblatt (BT) --

Teil 4

 

Erneut viele Grüße aus Südafrika! Wie letzten Monat angekündigt, befinde ich mich seit Ende November schon zum zweiten Mal in Fernsüd. Diesmal allerdings weit weg von allem Städtischen: Auf einem Privatgelände, so groß wie ein Dorf, aber größtenteils durch Wiesen und kleine Seen bedeckt. Nur einzelne Häuser finden sich auf der großen Fläche, viele davon werden nur am Wochenende genutzt oder ab und zu vermietet, in der Mitte befindet sich zudem ein Hotel. Kommt man an die Ränder des Geländes, so geht es schnell ziemlich steil berghoch.

Was verschlägt uns in so eine einsame Gegend? Wir – das sind erstmal die Potsdamer Geher Hagen Pohle, Christopher Linke und Nils Brembach, Bundestrainer Ronald Weigel mit Sohn, der Physiotherapeut Thorsten Heß mit Frau und ich – sind Mitte Januar hierhin ins Trainingslager aufgebrochen, um uns mit ein paar roten Blutkörperchen anzureichern. Das Gelände befindet sich nämlich auf fast 2000 Metern Höhe, die Luft ist also deutlich dünner, das Training deutlich schwerer. Man braucht einige Tage, bis der Körper sich an diese Bedingungen angepasst hat, es ist daher am Anfang wichtig, das Training erstmal langsam anzugehen und auf seinen Puls zu achten. Funktioniert das einigermaßen, kann man von Woche zu Woche immer härtere Programme durchziehen. Der Körper stellt dabei mehr rote Blutkörperchen her, was einem zu Hause dann zu Gute kommt. Ist man nämlich aus dem Trainingslager zurückgekehrt, fühlt man sich bärenstark und kommt mit dem Sauerstoff viel besser zurecht als zuvor, was einen letztlich leistungsfähiger macht. So die Theorie, in der Umsetzung ist das aber schwere Arbeit, zu der auch viel Erfahrung gehört – sonst kann die höhere Belastung auch mal nach hinten losgehen.

Aber warum Südafrika? Und warum gerade hier? Südafrika ist im Winter bei vielen europäischen Ausdauersportlern ein beliebtes Land für Höhentrainingslager, weil es in Europa in der Höhe zu kalt und im nördlicheren Afrika zu heiß zum Trainieren ist, während es sich hier bei Temperaturen von 20 bis maximal 30 Grad noch gut aushalten lässt. Zum anderen hat man in Südafrika fast keine Zeitverschiebung (nur eine Stunde zu Mitteleuropa), womit man sich trotz der langen Reise einen Jetlag ersparen kann. Das hiesige Privatgelände in der Nähe von Dullstroom (einem winzigen Ort im Nordosten des Landes) wird schon seit einigen Jahren von den besten deutschen Gehern genutzt, ich war 2014 das erste Mal dabei. Es ist sehr ruhig, man kann fast ungestört auf der Straße trainieren – wir haben eine 2,5 Kilometer lange, sehr hügelige und damit anspruchsvolle Strecke, die wir immer hin- und zurückgehen. Daneben gibt es mehrere Laufstrecken, die einen einmal rund ums Gelände führen. Dazu ist die Höhe von fast 2000 Metern ideal, um einen Effekt zu erzielen, aber den Körper auch nicht zu überfordern.
Entsprechend finden wir gute Bedingungen vor, die wir für viele lange und mittellange Strecken nutzen. Allerdings wird es hier auf Dauer auch ein bisschen einsam, Ausflüge unternehmen wir nur mal zum Essen nach Dullstroom oder zum Einkaufen in die nächstgelegene Stadt. Wir wohnen zusammen in einem Haus mit großer Küche und Wohnzimmer, wo wir neben dem Training fast die ganze Zeit verbringen. Insofern ist es ein gute Abwechslung, dass seit einigen Tagen auch drei finnische Geher hier trainieren, die in einem Haus in der Nähe wohnen. Direkt in Dullstroom haben auch drei deutsche Läuferinnen ihre Zelte aufgeschlagen. Interessante Begegnungen haben wir manchmal mit Tieren: So kann man beim Training schon mal auf ein Zebra oder einen kleinen Affen treffen, oder auf so eine Mischung aus Fuchs und Hund – was auch immer das ist.

Eine positive Überraschung kam Ende Januar rein: Wegen der zahlreichen Dopingsperren in der Leichtathletik wurden vom DOSB zahlreiche Olympia-Normen für Rio gesenkt – darunter auch die im Gehen. Somit ist es jetzt etwas leichter, sich zu qualifizieren – was mich allerdings nicht mehr betrifft, da ich die alte Norm ja schon erfüllt hatte. Darüber hinaus steht seit ein paar Wochen fest, wo am 7. und 8. Mai die Team-WM beziehungsweise der Weltcup im Gehen stattfinden wird: In Rom, und zwar direkt am Kolosseum. Wenn das keine gute Nachricht ist!