Arthur Abele im Interview: „Ich freue mich über jeden Tempolauf"
  30.10.2020 •     WLV , Top-News WLV , BLV , BW-Leichtathletik , Top-News BW-Leichtathletik , Leistungssport


Das Sportlerleben von Arthur Abele ist ein Auf und Ab: Nach Jahren voller Verletzungen überraschte er 2018 bei der Heim-EM mit der Goldmedaille – nun hat der Zehnkämpfer vom SSV Ulm 1846 schon wieder zwei Jahre ohne Mehrkampf hinter sich. Warum er weiter schuftet, welche Träume er sich noch erfüllen will und wie er diesen zuletzt wieder nähergekommen ist, das berichtet der 34-Jährige im Interview.

Arthur Abele, wir haben uns eine Weile nicht gesprochen – wo erwischen wir Sie gerade?

Arthur Abele:
Ich hole gerade mein Auto vom Reifenwechsel ab (lacht). Mein Trainer hat mich hierhergefahren. Vorher waren wir zum Training in der Halle. Da haben wir Glück gehabt bei dem Wetter, dass wir da jetzt schon reindürfen.

Die deutschen Leichtathleten starten gerade allerorts in die Olympia-Vorbereitung auf Tokio 2021. Zählen Sie auch dazu?

Arthur Abele:
Mein Startschuss liegt schon zehn Wochen zurück! Ich bin schon mit Vollgas dabei. Das läuft wunderbar. Wir hatten im Vorfeld kleine Probleme, vor allem mit der Achillessehne, aber das hat sich mittlerweile sehr gut entwickelt. Ich kann Tempoläufe machen ohne Ende, bin körperlich gut in Schuss. Da bin ich mehr als zufrieden, besonders läuferisch. Im Training konnte ich sogar Tim Nowak hinter mir lassen, der eigentlich bei uns in der Trainingsgruppe mittlerweile die Nummer eins bei den Läufen ist. Das hat mich wirklich überrascht, zumal ich das, was die anderen in Spikes gerannt sind, in Turnschuhen gelaufen bin. Da bin ich echt happy!

Im Herbst und Winter werden mit harten Einheiten die Erfolge des Sommers gemacht, heißt es. Wie gefällt Ihnen diese Trainingsphase?

Arthur Abele:
Bei mir ist es mittlerweile so: Alles, was ohne Probleme geht, ist eine Genugtuung – und ich mache das sehr gerne! Ich hatte so viele Verletzungen in den letzten Jahren – zwei Jahrzehnten, muss man ja schon fast sagen (lacht) – , dass ich einfach happy bin, wenn ich endlich mal eine normale Vorbereitung machen darf. Da freue ich mich über jeden Tempolauf, jede harte Einheit, die ich abspulen darf. Deswegen mache ich das sehr gerne und bin Feuer und Flamme.

Aber die Wettkämpfe sind das Salz in der Suppe. Warum gab es 2020 keinen Zehnkampf mit Arthur Abele?

Arthur Abele:
In der Saisonvorbereitung hatte ich eine Thrombose, die mich beeinträchtigt und lange die maximale Belastung nicht zugelassen hat. Dann hat sich coronabedingt einiges zerschlagen, Götzis und Ratingen sind ausgefallen. Die späten Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften wären schön gewesen, aber da habe ich mit der Achillessehne Probleme gehabt. Alles andere hat super gut funktioniert – das hat man ja auch im Kugelstoßen und Diskuswurf gesehen, wo ich in beiden Disziplinen in PB-Bereich war. Da hatten wir uns einiges erarbeitet, da war ich schon gut drauf.

Ihr letzter Mehrkampf liegt zwei Jahre zurück. Seitdem gab es mit Ausnahme des angesprochenen Kugel- und Diskus-Wettkampfs für Sie nur Pause, Reha, (Alternativ-)Training. Wie motivieren Sie sich?

Arthur Abele:
Ich habe den Traum von einer Medaille bei den Olympischen Spielen! Das ist das, was in mir brennt und was mein Feuer lodern lässt. Wenn ich das als nicht mehr realistisch empfinden würde, würde ich aufhören. Aber ich weiß, dass das immer noch in mir steckt, dass ich immer noch in den Bereich einer Olympia-Medaille arbeiten kann. Und dann ist da auch die Familie, die mich bestärkt und der ich zugleich etwas bieten möchte. Erfolge sind schön, aber sie haben auch eine Vorbildfunktion, für meine Familie, für mein Kind.

Hilft da auch die Erinnerung an die goldenen Momente von Berlin?

Arthur Abele:
Die Medaille in Berlin hat mir zusätzlich viel Kraft gegeben – vielleicht war ich da für 2019 sogar etwas übermotiviert. Sie hat mich darin bestätigt, dass ich da vorne zur Weltspitze gehöre. Aber das ist eben nicht der ganz große Traum. Der ist die Olympia-Medaille. Den habe ich, seit ich Frank Busemann in Atlanta gesehen und mit elf Jahren mit der Leichtathletik begonnen habe.

Sie sind mittlerweile 34 Jahre alt, junge deutsche Zehnkämpfer sind in den vergangenen zwei Jahren aufgerückt, natürlich allen voran Weltmeister Niklas Kaul. Flößt Ihnen das Respekt ein – oder spornt Sie das an?

Arthur Abele:
Respekt muss man auf jeden Fall haben. Aber es motiviert auch zusätzlich, weil man natürlich den Drang hat, sie zu schlagen! Das ist die Challenge: der Beste zu sein. Kai Kazmirek, Niklas Kaul, Andreas Bechmann – und die eigene Trainingsgruppe natürlich. Das fordert, da kannst du dich nie zurücklehnen, du musst immer weiterarbeiten. Ich sehe mich schon vorne mit dabei. Ich halte mich immer noch im Bereich von 8.500, 8.600 Punkten auf. Ich selbst habe mich auch weiterentwickelt – es ist nicht so, dass ich jetzt im Alter nicht mehr dazulerne oder besser werde. Und mit dem, was ich zum Beispiel mit der Kugel oder mit dem Diskus draufpacken kann, gleiche ich ein paar Punkte weniger zum Beispiel im Hochsprung aus.

Was spricht für Sie – was sind Ihre großen Stärken, von denen auch die jüngeren Athleten noch lernen können?

Arthur Abele:
Die Hürden waren schon immer meine Stärke, die Technik. Und grundsätzlich die Würfe. Diskus ist technisch sehr anspruchsvoll, da bewege ich mich eher im Mittelfeld. Aber Kugel und Speer, da kann ich den meisten Jungs noch ordentlich was zeigen.

Ulm ist bekannt als Zehnkampf-Hochburg, Sie haben eine starke Trainingsgruppe sowie einen Verein und eine Stadt, die die Zehnkämpfer bestmöglich unterstützen. Welche Rolle spielt dieses stabile Umfeld für Sie?

Arthur Abele:
Das ist unglaublich wichtig und wir alle sind dafür super dankbar. Wir haben während der schwierigen Corona-Phase von der Stadt und vom Verein die Möglichkeit erhalten, das Stadion und den Kraftraum zu nutzen. Es war für uns sehr gut, dass wir da unsere Arbeit verrichten und uns weiterentwickeln konnten. Wir haben eine gute Infrastruktur, kurze Wege – das macht es leichter für uns, das ist natürlich leistungsfördernd.

Wie konnten Sie zuletzt während der Corona-Pandemie das Training gestalten? Hat sich für Sie viel verändert?

Arthur Abele:
Das, was wir im Stadion machen konnten und durften, haben wir gemacht. Und ich habe auch zuhause noch mal aufgerüstet. Ich habe ein Rudergerät gekauft, ein Fitness-Trampolin, Sprungseile, Gewichte – und konnte auch da Alternativtraining absolvieren und mich zuhause fit machen. Ich habe gemerkt: Mit so einem Rudergerät kannst du dich so aus dem Leben schießen! (lacht) Da baue ich jetzt noch jede Woche eine Einheit ein.

Ihre Fitness hat in der Corona-Zeit also nicht gelitten…

Arthur Abele:
Im Gegenteil, ich konnte in Ruhe aufbauen und bin jetzt auf einem starken Level – ich glaube, auf dem war ich zum jetzigen Zeitpunkt schon seit Jahren nicht mehr. Und ich habe auch in der Ernährung noch mal viel umgestellt, auch noch mal zwei, drei Kilo abgenommen. Das merke ich natürlich, das hat mich noch mal einen riesigen Schritt nach vorne gebracht und trägt jetzt schon Früchte.

Keine Olympischen Spiele, keine EM, kein Zehnkampf – und eingeschränkte Trainingsmöglichkeiten: Bedeutete das für Arthur Abele auch mehr Zeit für Freunde und die Familie?

Arthur Abele:
Auf jeden Fall. Wir konnten zu unseren Nachbarn freundschaftliche Kontakte knüpfen und verstärken, da die Kids alle im gleichen Alter sind und wir Eltern uns auch super verstehen. Jay hat Fahrradfahren gelernt, wir waren beim Geocaching unterwegs, das war schön. Da konnten wir als Eltern schon viel mit ihm unternehmen – andererseits fehlten ihm auch die sozialen Kontakte aus dem Kindergarten. Jetzt läuft wieder alles halbwegs normal, das ist auch gut. Und zugleich vermisst man die intensive Zeit, die man mit der Familie hatte.

Sie sind Mitglied der Sportfördergruppe der Bundeswehr und haben auch eine Ausbildung zum Elektroniker für Automatisierungstechnik abgeschlossen. Gibt es schon Pläne für die Zeit nach der Sportkarriere?

Arthur Abele:
Ich habe mich vor ein paar Wochen bei der Bundeswehr für eine Ausbildung als KLF-Trainer beworben – für die Rolle eines Trainers der Bundeswehr [Anm. d. Red: KLF steht für körperliche Leistungsfähigkeit]. Da bin ich jetzt vorgemerkt. Nach der Sportkarriere möchte ich dort die Ausbildung machen, damit ich in der Bundeswehr als Trainer arbeiten kann. Ich wäre für die Truppe selbst, für Sondereinsatz-Kommandos und Spitzensportler in der Bundeswehr zuständig und würde dort sozusagen die Truppe fit machen.

Vorher steht noch der Traum von der Olympia-Medaille im Fokus. Soll Tokio der Schlusspunkt werden?

Arthur Abele:
Die Medaille wäre super geil. Und wenn ich noch mal auf dem Treppchen stehen würde bei der EM 2022 München vor heimischem Publikum – das auch! Einfach noch mal alles rausholen, dazwischen ist ja auch noch eine WM in Oregon, und am Ende sagen: Du hast das Beste daraus gemacht. Ja, die EM 2022 in München möchte ich auch noch mitmachen. Das ist die Deadline. Da reicht es auch – da bin ich dann wirklich alt (lacht).