Glanzvolles 60m-Gold für Verena Sailer<br>Silber für Carolin Nytra, Anne Möllinger und Julian Howard / Bronze für Matthias Bühler

  27.02.2012    BLV
Karlsruhe (25./26.02.) – Der nationale Höhepunkt des Winters stand auf dem Programm: Die Europahalle in Karlsruhe war am Wochenende Schauplatz der Deutschen Hallenmeisterschaften. Und es sollte ein wahrer Höhepunkt werden: Glanzvolle Titelkämpfe mit spannenden Wettbewerben und herausragenden Ergebnissen ließen oftmals die mit knapp 10000 begeisterten Zuschauern fast ausverkaufte Halle beben. Zurecht waren die Verantwortlichen von DLV und BLV nach den zwei Tagen voll des Lobes und rundum zufrieden.

Ein neuer deutscher Hallenrekord, mehrere – beeindruckend erzielte - Meisterschaftsrekorde, europäische Jahresbestleistungen, Weltklasseniveau gleich in mehreren Disziplinen, packende Duelle auf hohem Leistungsstand sorgten für ein Feuerwerk, das viele von den „besten Hallenmeisterschaften der letzten Jahre“ sprechen ließ.
Auch für die badischen Teilnehmer lief es mit einer Gold-, drei Silber- und einer Bronzemedaille hervorragend. „Wir haben fast das Optimum heraus geholt“, lobte dann auch Vizepräsidentin Elisabeth Päßler die Bilanz der BLV’ler. Überragt wurde der badische Medaillenreigen durch den 60m-Sieg von Verena Sailer in neuer persönlicher Bestzeit von 7,15 sec. Einen Wermutstropfen bildete allerdings die Verletzung von Carolin Nytra. „Wir leiden mit ihr und wünschen ihr alle einen schnellen Heilungsprozess“, so BLV-Präsident Philipp Krämer.

David Storl reißt 4800 Zuschauer von den Sitzen

Die ersten Stunden des Samstags waren vor allem den Vorläufen vorbehalten. Die erste Entscheidung der Titelkämpfe fiel im Männer-Dreisprung, wo sich der Ex-Badener Martin Seiler (ABC Ludwigshafen) mit neuer Bestleistung von 16,16 m hinter dem Erfurter Andreas Pohle (16,51 m) die Vizemeisterschaft sicherte.
Für das erste Ausrufezeichen sorgte Esther Cremer: Die Wattenscheiderin verbesserte im Vorlauf über 400m nicht nur ihre zwei Wochen alte Hallen-Bestzeit von 53,70 deutlich auf 52,57 sec, sondern blieb auch unter der Hallen-WM-Norm (52,90 sec). Cornelia Moll (LG Region Karlsruhe) schaffte in 55,14 sec den Sprung in einen der beiden Endläufe am Sonntag. Kurze Zeit später machte ihr das auch Quentin Seigel (LG Offenburg) in 48,53 sec bei den Männern nach.
Jugend-Kugelstoßerin Shanice Craft (MTG Mannheim) katapultierte sich im dritten Durchgang mit neuer Bestweite von 16,06 m in den Endkampf, konnte sich aber dort nicht mehr verbessern und blieb am Ende auf Platz acht. Der Sieg ging mit 19,13 m an Nadine Kleinert (Magdeburg), die ihren siebten Hallentitel holte und vom Publikum durch rhythmisches Klatschen zusätzlich motiviert wurde. Beim Dreisprung knackte Kristin Gierisch (Chemnitz) mit 14,19 m die Hallen-WM-Norm. Diana Klukas (TSG Weinheim) kam mit 12,02 m als Neunte nicht in den Endkampf.
Nach den 60m-Vorläufen mit und ohne Hürden begann der Frauen-Stabhochsprung, der als eines der Highlights angekündigt worden war. Doch mit 4,57 m setzte sich die favorisierte Silke Spiegelburg relativ glanzlos durch, da hatten sich Lisa Ryzih (4,47) und Kristina Gadschiew (4,52) gerade verabschiedet. 4,67 m waren aber an diesem Tag zu hoch für die Leverkusenerin, die zuerst enttäuscht war, sich dann aber doch noch über den Titel freuen konnte.
Gleichzeitig wurden die Finals über 60m Hürden gestartet, die den ersten Höhepunkt für den BLV bringen sollten. Zuerst mussten die Männer ran. Matthias Bühler (LG Offenburg) hatte nach den Vorläufen mit 7,84 sec die fünftschnellste Zeit gesprintet und ging im Finale auf Bahn acht aus den Böcken. Gregor Traber (Tübingen) war nach 60m und starken 7,59 sec deutlich vorne und verteidigte als Jugendlicher bei den Männern seinen Titel erfolgreich. Dahinter ging’s ganz eng zu. Matthias Bühler war viel schneller als im Vorlauf und vorne dabei. Am Ende holte der Offenburger in 7,70 sec Bronze, nur eine Hundertstel hinter dem Leipziger Alexander John. Ein erfreuliches Ausrufezeichen für den Schützling von Wilhelm Seigel.
Bei den Frauen galt Carolin Nytra (MTG Mannheim) nach ihren 8,00 sec im Vorlauf und dem Auftreten beim IHM zwei Wochen zuvor an gleicher Stelle als Favoritin. Doch die Leipzigerin Cindy Roleder hielt im Finale nach einem für sie fast perfekten Start dagegen und setzte sich in 7,96 sec dann sogar hauchdünn durch. Carolin lief etwas verkrampfte 7,98 sec und musste sich dahinter mit Platz zwei zufrieden geben. Im Zielauslauf fasste sie sich an die Wade: Muskelfaserriss – und das tat mehr weh als der zweite Platz. „Sie hat schon bei einem Ablauf vor dem Rennen einen Krampf gespürt. Im Rennen hat sich daraus dann ein Muskelfaserriss entwickelt“, erklärte ihr Trainer Rüdiger Harksen, „es ist ein Wunder, dass sie damit noch so schnell gelaufen ist.“
Zwischenzeitlich lief das Kugelstoßen, wo sich der haushohe Favorit David Storl auch erwartungsgemäß deutlich durchsetzte. Mit 21,40 m kam der Chemnitzer bis auf drei Zentimeter an den Meisterschaftsrekord von Ralf Bartels aus dem Jahr 2006 heran und setzte sich damit an die Spitze der europäischen Rangliste. Neu-Sindelfinger Artur Hoppe (ehemals LG Radolfzell) belegte mit 19,56 m den Bronzerang.
Berechtigte Medaillenhoffnungen hatten die Badener beim Männer-Weitsprung. Nach einem ungültigen Versuch setzte sich Julian Howard von der LG Region Karlsruhe mit 7,84 m an die zweite Stelle hinter Favorit Sebastian Bayer (Hamburg). Im fünften Versuch steigerte sich Julian auf 7,88 m und rückte dem Hamburger bis auf neun Zentimeter heran. Der konnte allerdings postwendend kontern und mit 8,12 m davon ziehen. So blieb’s auch am Ende – beide Sprinter verzichteten auf ihre sechsten Versuche. Mit Florian Oswald (TSG Weinheim) hatte es noch ein zweiter badischer Weitspringer in den Endkampf geschafft. Nach 7,50 m musste er jedoch verletzt den Wettkampf beenden.
Über 3000m holten sich Arne Gabius (Tübingen) nach beeindruckendem Alleingang in 7:51,72 min und Corinna Harrer (Regensburg) in 9:25,87 min die Titel. Den Abschluss auf der Laufbahn bildeten dann die Finalläufe über 60m. Schnellster Mann in der Halle war Christian Blum (Wattenscheid), der das Finale in 6,62 sec vor Altmeister Tobias Unger (Stuttgart; 6,69) und Maximilian Kessler (Berlin; 6,70) gewann. Im Endlauf kamen die Sprinter nicht mehr an die schnellen Zeiten aus den Vorrunden heran. Dort hatten Blum (6,60 sec), Unger (6,66) und Kessler (6,69) alle Saisonbestzeiten erzielt.
Und dann waren alle Augen gespannt auf das Frauen-Finale gerichtet, denn dort sollte Verena Sailer (MTG Mannheim) die erhoffte Goldmedaille für den BLV holen. Außerdem standen mit ihrer Vereinskameradin Anne Möllinger und Tatjana Steidle (USC Freiburg) zwei weitere Badenerinnen hinter den Blöcken. Und die „Mission Gold“ bewältigte Verena eindrucksvoll: Mit 7,15 sec stellte sie eine neue persönliche Bestzeit auf und lief den Konkurrentinnen auf und davon. Schon im Vorlauf brachte sie eine schnelle Zeit von 7,25 sec auf die Bahn. Im Zwischenlauf steigerte sie dann ihre bisherige Saisonbestzeit um zwei Hundertstel auf 7,21. Das Finale krönte schließlich ihren Auftritt. Mit den 7,15 sec verbesserte sie ihre persönliche Bestzeit um zwei Hundertstel und schob sich in der europäischen Jahresbestenliste auf Platz drei. Sie verteidigte damit ihren Titel erfolgreich und sicherte sich insgesamt ihren vierten Titel in fünf Jahren.
Anne Möllinger kam als Fünfte in 7,41 sec nicht mehr an ihre Zeiten aus den Vorrunden (7,37 und 7,39) heran, Tatjana Steidle wurde in 7,48 sec Siebte. Ein Klasse-Ergebnis für die BLV-Damen.

Björn Otto „Herr der Lüfte“ beim Stabhochsprung-Krimi / Carolin Walter so schnell wie niemand über 800m

Am Sonntag waren die Erwartungen in „badische Medaillen“ bedeutend geringer. Nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Hochspringer Sven Tarnowski, der sich mittlerweile einer Operation am Knie unterziehen musste, lagen die Hoffnungen auf 200m-Läuferin Anne Möllinger und ein klein wenig auf der jungen Weitspringerin Malaika Mihambo.
Und die junge Kurpfälzerin musste gleich am Anfang ran. Doch die deutsche Jugendmeisterin kam nicht gut in den Wettkampf rein. Nach nur einem „richtigen“ Sprung auf 6,15 m musste sie als Neunte nach dem Vorkampf zuschauen, wie am Ende ein Außenseiter-Trio angeführt von Ksenia Achkinadze (SC Gelnhausen; 6,56 m) auf dem Treppchen stand.
In den Vorläufen über 200m zeichnete sich bei den Frauen bereits das Duell zwischen Anne Möllinger (23,38 sec) und Cathleen Tschirch (Leverkusen; 23,25) ab. Und so kam es auch im Finale: Anne lief auf Bahn vier vorneweg, Cathleen auf Bahn drei hinterher. Eingangs der Zielgeraden lagen beide Kopf an Kopf, das bessere Stehvermögen hatte die Athletin vom Nordrhein in starken 23,21 sec. Europäische Jahresbestzeit! Anne holte in 23,39 sec Silber. Bei den Männern ging der Titel ebenfalls nach Leverkusen: Favorit Aleixo Platini Menga sprintete 20,94 sec und blieb ebenso wie im Vorlauf (20,95) als einziger unter der 21-Sekunden-Marke.
Und dann folgte auf der Rundbahn die One-Woman-Show der Carolin Walter. Die gebürtige Karlsruherin, die jetzt für Bayer Leverkusen startet, zog vom ersten Meter an dem Feld davon und vergrößerte ihren Vorsprung von Runde zu Runde. 200 Meter vor dem Ziel bog sie bei 1:29 min in die Schlussrunde ein und konnte auch dort ihr hohes Tempo halten. Meisterschaftsrekord in 2:01,29 min, neue Bestleistung und WM-Norm waren der Lohn.
Bei den Männern gab es ein typisches Meisterschaftsrennen, in dem sich in der Schlussrunde der favorisierte Sören Ludolph (Braunschweig; 1:52,27) mit langem Endspurt durchsetzte. Über 1500m musste sich dagegen der Favorit Carsten Schlangen (Berlin; 3:48,05) dem Youngster Heyi Homiyu Tesfave (Eintracht Frankfurt; 3:47,34) geschlagen geben, der eine Woche zuvor schon deutscher Jugendmeister geworden war. Bei den Frauen gab es durch Maren Kock (4:14,72) und Corinna Harrer (4:15,24) einen Doppelsieg für die LG Regensburg.
Über 400m standen zwei Badener in den Finals. Bei den Frauen belegte Cornelia Moll in 55,16 sec Platz acht, während Siegerin Esther Cremer ihre Bestzeit vom Vortag noch auf 52,45 sec steigern konnte. In den Männerläufen setzte sich Miguel Rigau (Köln) in 46,90 sec durch; Quentin Seigel (LG Offenburg) wurde in 48,99 sec ebenfalls Achter.
Flugshows boten die Höhenjäger am zweiten Tag der Meisterschaften. Während beim Frauen-Hochsprung mit dem Sieg von Ariane Friedrich und der Höhe von 1,91 m vor der Freiburgerin Marie-Laurence Jungfleisch (Sala. Kornwestheim-LB; 1,89) noch alles normal verlief und die Frankfurterin über ihren sechsten Hallentitel jubeln konnte, steigerte sich der Chemnitzer Raul Spank mit einer blitzsauberen Serie bis auf 2,32 m. Und auch seine Versuche über 2,35 m sahen vielversprechend aus. „Ich hoffe, dass die Latte, die heute noch bei dieser Höhe runtergefallen ist, bei der Hallen-WM liegenbleibt“, sagte der Dresdner im Hinblick auf seine Ziele für Istanbul.
Den erwartet hochklassigen Wettbewerb sahen die begeisternd mitgehenden Zuschauer in der ausverkauften Europahalle dann beim Stabhochsprung, wo Weltklasseniveau erreicht wurde. Björn Otto (Bayer Uerdingen/Dormagen) musste für den Titelgewinn schon seine deutsche Jahresbestleistung von 5,92 m einstellen, nachdem Malte Mohr (Wattenscheid) 5,87 m im ersten Versuch überflogen hatte. Und auch der Dritte, Raphael Holzdeppe (Zweibrücken), sorgte mit seinen 5,82 m für einen überragenden Meisterschaftswettbewerb, der seinesgleichen sucht. Pokern, Auslassen und Nervenstärke entschieden am Ende - und der als Sieger feststehende Björn Otto versuchte sich zur Begeisterung der Fans sogar noch zweimal am deutschen Hallenrekord von 6,01 m.
Doch ganz zum Schluss sollte es den dann doch noch geben. Nachdem die Frauen-Staffel aus Wattenscheid in 1:33,86 min vor Leverkusen gewonnen hatte, wollten die Wattenscheider Männer da nicht nachstehen. In 1:23,90 min stürmten Julian Reus, Robin Erewa, Alexander Kosenkow und Christian Blum zu Gold und Hallenrekord und waren damit exakt acht Hundertstel schneller als das Wattenscheider Quartett bei der Hallen-DM vor sechs Jahren, die ebenfalls in Karlsruhe ausgetragen wurde.
Obwohl 28 Athleten die Norm für Istanbul erfüllt haben, wird der Verband nur ein Mini-Team zur Hallen-WM schicken. Günther Lohre, Vizepräsident Leistungssport im DLV, rechnet mit 15 bis 17 deutschen Startern. „Wir werden in der ein oder anderen Disziplin stark besetzt sein“, sagte er. Die zu erwartende Mannschaft sei „klein, aber fein“. Ein erfolgreiches Abschneiden bei den Olympischen Spielen habe „oberste Priorität“, sagte Lohre.

Ralf Wohlmannstetter